Während Laura noch in der Reithalle bei den Dalmatinern ist und überlegt welchen sie nehmen soll hat Jess sich entschlossen Wyoming Lady zu satteln und warm zu machen. Laura hört ihn nur noch um die Ecke flitzen und rufen "Bullshit, wo hat Jeremy die Barrels gelassen?" Die verschlafene Langhaarkatze fliegt fast vom Mülleimer, den Jeremy nicht weggeräumt hat.
 
 
Laura, die ist richtig gut geworden und viel zu schade um sie als Cutter Henderson zu verkaufen. Ich werde wohl mal Kontakt zu Jody aufnehmen. Das ist ein Cowgirl von den Rodeos, sie sucht ein gutes neues Pferd für Barrel Racing, ist ja was für die Damen beim Rodeo.

Laura guckt skeptisch.
Sag mal, wieviel Damen hast du eigentlich noch auf deiner Liste?

Jess
Honey, du weißt doch, gucken darf man aber gegessen wird zu Hause. - und zieht mit Wyoming Lady ab.

Laura denkt nur noch unverbesserlicher Kerl, weiß aber genau das Jess sein Herz nur einmal verschenkt, alles andere ist "big talking man". Wenigstens hat er diesmal den Barrel Racer Sattel mit den runden Steigbügeln genommen. Er geht so scharf in die Kurven bei den Tonnen und verschenkt keinen inch. Letzten Winter hat er es mit seinem normalen Westernsattel gemacht und ist mit dem eckigen Bügel übel mit seinem Fuss am Boden hängen geblieben. Der Fuss wurde im Minutentakt dick und ich habe kaum den Stiefel runterbekommen. Zum Kühlen war ich wieder gut und sein Fluchen muss man bis Laramie gehört haben. Aber er ist ja lernfähig!

So geht der Tag dahin, wenn auch ein wenig mit halber Kraft, da alle nach der aufregenden Hochzeit noch etwas geschafft sind.

Nach dem gemeinsamen Abendessen gehen Vicky und Jeremy in ihre Zimmer und lassen Jess, Laura und Opa Frank im Wohnzimmer allein.

Opa Frank sitzt in seinem bequemen Schaukelstuhl, Jess und Laura haben es sich auf dem Sofa bequem gemacht.

Opa Frank guckt mit der Gelassenheit seines Alters auf die beiden und meint:
Jetzt kann ich ja in Ruhe sterben, die Ranch ist in guten Händen bei euch.

Laura guckt entsetzt, Jess springt auf und ruft
No way Dad, nach Ma machst du dich jetzt nicht auch noch aus dem Staub. Du wirst gebraucht. Du weißt doch ganz genau, dass mir der Schädel raucht, wenn ich so lange Zahlenreihen zusammenrechnen soll bei der Buchhaltung. Das klappt auch mit Jack Daniels irgendwie nicht besser, macht mich alles nur nervös.

Opa Frank lacht.
Typisch mein Sohn, die unangenehmen Sachen schiebt er auf andere. Der Papierkrieg gehört aber zur Ranchführung dazu. Wenn es dich beruhigt Jess, ich habe Laura schon darin eingewiesen und sie macht das sehr gut.

Jess
Habt ihr es poltern hören? Jetzt sind mir wieder einige Steine vom Herzen gefallen. Ich hasse diese Rechnerei, wozu auch. Der Banker hat doch den Kontostand, alles Bullshit.
Ich bin froh, dass wir uns ausgesprochen haben. Die unausgesprochenen Dinge sind jetzt endlich weg und wir können wieder nach vorn sehen.

Laura
Du hast nie groß darüber gesprochen wie es dir in New Orleans gegangen ist. Ich habe von Frank inzwischen gehört was dir passiert ist. Das muss ja schrecklich für dich gewesen sein Jess.

Jess
Na ja, dieser missglückte Ritt auf Big Bad John hat schon kräftig an meinem Selbstbewusstsein genagt. Ich hätte auch Widowmaker erwischen können bei der Auslosung der Bullen. Der heißt nicht umsonst so. Die Zeit im Krankenhaus war ganz bescheiden. Es ist ein blödes Gefühl, wenn man gestützt von zwei Krankenschwestern wieder aufstehen soll. Es war ja nicht nur der gebrochene Unterarm. Ich war so lädiert, als wäre eine Lok über mich drübergefahren. Der Doc hat auch sehr schnell erkannt, dass ich nicht gut drauf war seelisch und hat mir einen Gips um den Arm verpasst. Danach konnte ich dort raus und habe mir ein Zimmer genommen. Im Mietstall habe ich mir ein Pferd gemietet und habe endlich einen Armeesattel gefunden, immer noch besser als diese komischen Gangpferdesättel. Damit bin ich ein bischen durch die Gegend gestromert. Den Sommer habe ich in New Orleans verbringen müssen, weil der Doc meinte, der Arm sollte erst wieder heilen und nicht gleich so belastet werden mit der Rappelei der langen Eisenbahnfahrt nach Hause. Ich habe zum Schluß schon die Tage gezählt.
Ich bin auf dem Mississippi flussaufwärts mit dem Schaufelraddampfer, dann weiter bis St. Louis, dem Tor zum Westen. Da habe ich erst einmal festgestellt, dass die Fahrpläne nur ein grober Anhaltspunkt sind. Mittwochs sollte der Zug fahren, fuhr aber erst am Freitag, wieder fast zwei Tage dumm rumsitzen. Inzwischen hatte ich das Ticket in der Tasche und dann ging es endlich los nach Westen. Endlich den Tabakgeruch der Plantagen aus der Nase, oh was habe ich mich gefreut, als es endlich durch die Prärien ging. Die Damen haben sich immer aufgeregt, wenn ich das Fenster runtergeschoben habe um die frische Luft zu atmen. Endlich hatte ich das Gefühl, es geht nach Hause, dorthin wo man wieder gesund werden kann. Es ist eine irrsinnig lange Fahrt. Die Conductor (Schaffner) sind ein lustiges Völkchen und haben ihre eigenen Songs. Einen mag ich besonders, den hatte ich schnell drauf mit der Mundharmonika. Dort geht es um den Orange Blossom Special, den schnellsten Zug überhaupt, fastest train on the line. Er fährt von New York um 12.30 Uhr ab und kommt 18.55 Uhr am nächsten Tag in Miami an.
Da wäre ich gern mal mitgefahren, war für mich aber die falsche Richtung. Irgendwann bin ich eingenickt, als es dunkel wurde und nichts mehr zum angucken gab , da habe ich mich zu Tode erschrocken - auf einmal ein ganz eigenartig klirrendes Geräusch unter dem Wagen. Ich dachte schon, da ist was kaputt. Ich habe dann den Conductor gefragt und der meinte nur trocken, er hätte seine Kette tanzen lassen wegen den Hobos. Das sind Leute, die ohne zu zahlen auf den Zug springen oder sich unter die Wagen hängen. Dieser Conductor war noch human und hatte eine dünne Kette. Es gibt Strecken, da sind die Conductor sehr rüde. Die Hobos springen auf, wenn die Lokomotive wie die Engineers (Lokführer) sagen, ihren Drink bekommt. Sie muss Wasser aus den großen Behältern aufnehmen, und dann wenn der Zug wegen der Berge nur langsam voran kommt. Vorwiegend nehmen die Hobos aber die Rattler (Güterzüge) wie die Eisenbahner sagen. Ich bin mit meinem Outfit und Cowboyhut immer als Mann aufgefallen, der wohl in den Westen gehört. Ich war immer höflich zu den Damen und habe ihnen ihr Gepäck auf die Ablage gehoben oder wieder runtergeholt. Viele sind ja früher ausgestiegen. Wenn man so lange fährt, verliert man das Gefühl für Zeit. Ich weiß gar nicht ob es vier oder fünf Tage waren bis ich endlich in Laramie aussteigen konnte.

Laura hört gespannt zu und Opa Frank auch. Mit Bahnfahren haben sie nicht die ganz großen Erfahrungen.

Die Hobos waren als Erntehelfer in ganz USA unterwegs. Die ganz große Zeit der Hobos war in den 30er Jahren zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Um die 5000 Hobos waren unterwegs - riding the rails wie sie sagen. Das ist heute übrigens wieder modern geworden. Die Conductor reagieren heute anders. Es kommt die Polizei, viele haben Schwierigkeiten mit nicht ordnungsgemässen Pässen. Die Blütezeit der Hobo-Subkultur war das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert. Besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten, nach Kriegen und ganz besonders während der Großen Depression nahm ihre Zahl stark zu. Heute existiert eine neue Generation von Hobos, welche das Reisen auf Güterzügen nicht mehr aus wirtschaftlicher Notwendigkeit betreibt, sondern als Freizeitbeschäftigung. In Britt, Iowa (USA) gibt es den einzigen Hobo-Friedhof.

Laura
Schon seltsam, Frank und ich waren genau an dem Tag an dem du angekommen bist in Laramie und haben Vorräte für die Küche aufgestockt. Ich meinte noch zu Frank, der Zug aus dem Osten kommt, lass und doch mal schauen! Es sind so viele Leute ausgestiegen und dann haben wir dich gesehen. Du warst zwar braungebrannt aber hast sehr schmal ausgesehen. Dein Blick ging Richtung Mietstall. Du hast uns erst gar nicht gesehen. Ich habe dann laut gerufen und du hast uns endlich in dem ganzen Menschengewusel gesehen und hast einen Schritt zugelegt.

Jess
Ich habe mich so gefreut euch zu sehen. Dad, du hast schlecht ausgesehen. Das ist mir gleich aufgefallen. Dann hat Laura mir von Mas Tod erzählt. Du konntest es wohl nicht in dem Moment Dad.

Opa Frank
Nein Junge, ich habe es nicht fertiggebracht. Auf der einen Seite war ich wütend, dass du nicht da warst, auf der anderen Seite froh, dass du endlich nach Hause gekommen bist.
Du hast auf der Rückfahrt mit der Kutsche kein Wort mit uns gesprochen, hast zu Hause dein Gepäck genommen und bist auf dein Zimmer, das Margaret nie verändert hast seit du weg warst.

Jess
Dad du kennst mich doch. Ich wollte einfach nur allein sein. Es war so viel passiert, das musste ich erst verdauen. Ich bin gleich am nächsten Morgen zum Grab geritten.

Opa Frank
Ich habe mich nur gewundert warum du deinem Lieblingspferd so was neumodisches, ich glaube Kompliment, beigebracht hast.

Jess
Klar, ich hatte noch große Schwierigkeiten mit dem Arm. Da war noch keine Kraft drin. So konnte ich mich besser hochziehen. Unser Doc hat mir noch ein paar Übungen gesagt und nun ist es ja wieder halbwegs o.k., für Bullriding reicht es nicht mehr, aber alle anderen anfallenden Arbeiten klappen ja wieder.

Jess muss laut gähnen.
Dadudadudadoo, guckt mal wie spät es schon ist. Wir müssen morgen früh raus. Laura, ich denke wir lassen Dad morgen länger schlafen, er ist hier ja schließlich der Älteste.

Opa lacht.
So müde scheinst du mir noch gar nicht Jess, aber geht ruhig in euer Schlafzimmer!

Jess
Dad, du bist immer so direkt! Nun weiß ich auch von wem ich das habe. Komm Laura, gute Nacht Dad!