Inzwischen sind zwei Wochen vergangen. Jess gönnt sich die Ruhe nach der sein Körper verlangt, merkt aber, dass ihn der erbitterte Zweikampf mit Jenkins körperlich sehr zurückgeworfen hat. An schwere Rancharbeit oder gar Arbeit mit den Mustangs ist nicht zu denken.
 

 
Er sieht die Dinge aber gelassen und gönnt sich ab und zu einen langsamen Ausritt auf Big John, der es nicht eilig hat und gern unterwegs Gras frisst. Die kleine Sammy ist auch mit von der Partie.
 

 
Das rechte Bein macht ihm immer noch Schwierigkeiten mit heftigen Krämpfen wenn er sich zu viel zumutet. Währenddessen haben Frank und Hetty andere Probleme. Sie haben angefangen Hettys Wohnung in Laramie auszuräumen. Ein paar Lieblingsstücke der Möbel und die persönlichen Sachen möchte Hetty auf die Tumbleweed mitnehmen. Jess hat sofort angeboten die Sachen mit dem großen Planwagen zu holen. Gleichzeitig bietet er an, dass Hetty und Frank sich das leer stehende Zimmer seiner Mutter in dem sie sich wegen ihrer Krankheit häufig zurückzog als Wohnzimmer einrichten können. Jess grinst:
"Ihr wollt ja sicher mal für euch sein und euer junges Glück genießen und nicht ständig uns und die Kids um euch haben."
 

 
Frank freut sich, dass von Jess keine Einwände mehr gegen Hetty kommen. Da tut sich ein Problem auf. Jess trifft seinen Vater und Hetty in der Küche.
 

 
Jess fragt:
"Was ist denn mit euch los? Gesichter wie sieben Tage Regenwetter?"

Frank druckst herum:
"Jess, ich weiß nicht wie ich es sagen soll. Also gerade heraus - Hetty und ich wollen uns das Jawort geben und heiraten."

Jess lächelt dazu und meint:
"Na, dann gratuliere ich euch zu dem Entschluss. Darauf habe ich schon lange gewartet. Ihr seid beide nicht die Menschen für eine Common Law Marriage."

(Die Common Law Marriage, bei uns als Wilde Ehe bezeichnet, war in den USA damals sehr verbreitet. Es gab in den einsamen Gegenden im Westen nicht überall erreichbar einen Pfarrer oder einen Friedensrichter, der Paare traute. Im Todesfall musste der überlebende Partner die Partnerschaft beweisen, sei es durch gemeinsamen Hausstand, gemeinsame Kinder oder gemeinsame Steuerveranlagung um erbberechtigt zu sein. Inzwischen ist die Common Law Marriage in den meisten Bundesstaaten der USA abgeschafft, da es überall erreichbar Kirchen und Friedensrichter gibt, die Ehen schließen. Standesämter gibt es in den USA nicht)

Jess fragt nach:
"Friedensrichter in Cheyenne, schöne aufstrebende Stadt, da könnt ihr noch ein paar Tage Aufenthalt dranhängen oder Reverend in Laramie?"

Frank erwidert:
"Wir sind beide gläubige Menschen und wollen uns das Jawort in der Kirche geben. Wir haben auch schon den Heiratstermin am übernächsten Sonntag. Aber jetzt haben wir ein großes Problem. Mein Freund, der alte Doc, sollte Brautvater sein, aber jetzt musste er überraschend nach Billings zu seiner Schwester, die sehr krank geworden ist. Er ist gestern mit der Bahn gefahren und jetzt wissen wir nicht woher wir einen anderen Brautvater bekommen."

Inzwischen ist auch Laura dazugekommen.

 
 
Jess steht auf:
"Billings hoch oben in Montana, das ist weit weg. Der Doc wird sicher länger bei seiner Schwester bleiben wenn er die lange Reise gemacht hat."

Jess überlegt kurz:
"Hetty, Dad, es steht doch eigentlich nirgendwo geschrieben, dass ein Brautvater unbedingt älter sein muss. Durch euer Alter haben wir nun einmal keinen Brautvater mehr. Ich habe ja gewisse Erfahrung Brautvater zu sein, zwar in der Kultur der Cheyenne, aber ich kann das ja auch mal in unserer Kultur probieren.

(Jess hat Takoda mit Chumani zusammen gebracht. ab Kapitel -> 207)

 
 
Wäre das für euch eine Lösung? Natürlich nur wenn es euch nicht stört, dass ich den Gehstock nehme. Ich habe keine Lust in der Kirche auf die Nase zu fallen und alle gucken zu."

Hetty und Frank fallen Jess um den Hals für sein Angebot und nehmen es gern an. Laura ist stolz auf ihren Mann und völlig begeistert:
"Eine richtige Hochzeit und mein Mann als Brautführer! Ich freue mich so sehr für euch Hetty und Frank. Das soll ein schöner Tag werden. Sammy und Raylan können Blumen streuen, wir bestellen Essen im Restaurant."

Die Zeit bis zur Hochzeit verfliegt nur so. Laura ist am Morgen der Hochzeit mit Hetty und den Mädchen in Hettys Wohnung damit der Bräutigam die Braut nicht vorher sieht. Jess kümmert sich um seinen Vater und die beiden Kleinen. Selbst ist er schnell rasiert, gewaschen und hat den schwarzen Anzug angezogen. Laura hat darauf bestanden, dass er kein Bolotie trägt sondern eine von ihr liebevoll gebügelte Samtschleife, die Jess widerwillig umbindet. Frank ist total aufgeregt. Er ist gewaschen, hat auch schon den guten Anzug an, steht vor dem Spiegel und meint:
"Jess, wie sehe ich aus? Sollte ich den Bart wegrasieren?"

Jess grinst:
"Was ist denn mit dir los Dad? Der Suppennudelfilter bleibt dran. Hetty kennt dich nur so, sie bekommt ja den Schreck ihres Lebens wenn der ab ist. Solche wichtigen Sachen solltet ihr vorher besprechen. Aber du solltest die Rotzbremse etwas in Form scheiden."

Franks Hände zittern:
"Mach du das Jess, ich bin viel zu aufgeregt."

Jess lacht:
"Mensch Dad, du heiratest, das ist doch bei dir keine Premiere. Du weißt doch wie es geht. Gib schon das Rasiermesser her, ehe du dich noch schneidest!"

Jess schneidet den Bart in Form und wirft dann einen abschließenden Blick auf sich und Dad in den Spiegel:
"Schau mal Dad, sind wir nicht hübsche Kerlchen? Wir haben es nicht nötig eine Frau zu kaufen. Ich habe letzte Woche eine Kutsche in Laramie gesehen mit Frauen für die Goldgräber und Farmer in Kalifornien. Kostet 35 Dollar die Frau, Mensch, dafür bekommst du ein gutes Pferd und die Passage der Frau in den Westen muss auch noch bezahlt werden."

Frank muss lachen:
"Dir als Bullrider lagen die Frauen doch wohl zu Füßen und doch hast du dich für eine Frau entschieden mit der du schon deine ganze Kindheit zusammen warst."

Jess entgegnet:
"Ich glaube, ich habe sie schon als kleiner Junge geliebt. Sie ist mein Ein und Alles. So Dad, wir müssen los."

Frank macht die Knöpfe seines Jackets zu und ein Knopf platzt ab. Jess kann nicht mehr vor Lachen und meint dazu:
"Dad, das kommt vom Waschbärbauch. Ihr solltet euch ein anderes Hobby suchen als kochen und backen."

 
 
Frank flucht:
"Gottverdammter Rotzlöffel, kann ja nicht jeder eine Windhundfigur haben!"

Jess kann sich das Lachen nicht verbeißen:
"Mein gottesfürchtiger Dad flucht, dass ich das noch erlebe. Jetzt müssen wir die Lage retten, gib mal Hettys Nähkorb! Du hättest vorher den Anzug probieren sollen, Hetty hätte die Knopfreihe versetzt. Bei der Hose kann man sich ja noch entscheiden ob man die Wampe über oder unter dem Gürtel trägt."

Frank sagt nichts mehr dazu während Jess den Knopf annäht:
"So Dad, besser kann ich es nicht und lass das Jacket einfach offen, ist ja warm heute. Raylan, Sammy! Wir müssen jetzt fahren."

In dem Moment kommt die kleine Sammy mit ihren Blümchen im Korb, wirft die Blümchen in die Luft und ruft:
"Hochzeit, Hochzeit!"

Jess schlägt die Hände vor dem Gesicht zusammen:
"Sammy, jetzt doch nicht, erst wenn Grandma und Grandpa die Kirche wieder verlassen. Ich sage dir wann es so weit ist und nun sammelt die Blumen wieder auf!"

Raylan mault:
"Blümchen streuen ist was für Mädchen. Ich mache das nicht, ich denk nicht dran."

Jess denkt, irgendwie haut das mit Lauras Vorbereitung der Kinder auf ihre Aufgaben bei der Hochzeit nicht so hin. Er kann Raylan verstehen:
"Raylan, du hilfst jetzt Sammy die Blumen aufsammeln und dann bekommst du in der Kirche eine andere Aufgabe. Wenn der Reverend sagt, dass sich das Brautpaar die Ringe anstecken soll, überreichst du sie. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe."

Grandpa Frank kann nur noch sagen:
"Junge, ich bewundere deine Ruhe."

Endlich geht es los, es wird auch langsam Zeit. Krücken braucht Jess keine mehr, aber er hat einen schwarz lackierten Gehstock, der ihm mehr Sicherheit beim Laufen gibt. Er liefert die Kleinen in der Kirche bei Laura und den großen Mädchen ab. Laura meint:
"Hetty sieht wundervoll aus, aber sie war so seltsam, wahrscheinlich die Aufregung. Darling, du siehst sehr gut aus in deinem Anzug."

Er meint dazu:
"Besondere Ereignisse verlangen besondere Kleidung. Da muss ich wohl durch."

Jess geht los um Hetty zu holen. Hetty sieht großartig aus in einem cremefarbigen langen Kleid und dem Brautstrauß in der Hand. Während dieser Zeit liest der Reverend die Messe und trägt seine Predigt vor. Er schließt mit den Worten:
"Und jetzt kommen wir noch zu der Trauung von Hetty Bolder und Frank Harper zu der wir uns hier versammelt haben."

Die Musik spielt, die Kirchentür ist geöffnet aber es kommt keiner.

Währenddessen steht Hetty vor der Kirche und Jess hat sie links untergehakt und rechts seinen Gehstock. Hetty atmet tief durch:
"Jess, ich kann das nicht."

Jess durchfährt ein Schreck:
"Wie? Du kannst das nicht?"

Hetty antwortet:
"Es wäre nicht recht gegenüber Leroy nach über 30 Jahren. Ich kann das nicht."

Dann läuft sie mit Jess am Arm, der kaum mitkommt, auf und ab vor der Kirche. In der Kirche wird Frank zunehmend nervöser und denkt wo bleiben die denn. Der Reverend lässt Raylan nachsehen. Der kommt zurück und sagt:
"Dad meint es dauert noch etwas."

Hetty läuft immer schneller. Das geht so lange bis Jess der Kragen platzt:
"Stopp Hetty! Du läufst wie ein Wiesel, das ist ja schlimmer als der Zweikampf mit Jenkins was du mir abverlangst. Was ist denn los, ich verstehe dich nicht?"

Hetty wiederholt nur:
"Ich kann das nicht, ich kann das einfach nicht."

Jess als Brautvater greift jetzt energisch ein.
"So Hetty, du hast mich fertig gemacht als ich so krank war. Da habe ich was gut."

Jess lässt den Gehstock fallen und schüttelt Hetty mit beiden Händen an ihren Schultern:
"Du kannst das! Da drin steht der Mann, der dich liebt und nur auf dich wartet. Du sagst ja und alles ist gut. Los jetzt Hetty!"

Er nimmt den Gehstock wieder in die rechte Hand, hakt Hetty unter und beide gehen langsam und würdevoll den Gang durch die Kirche zum Altar wo der Reverend und der Bräutigam stehen. Jess setzt sich zu Laura in die erste Reihe und hört der Trauungszeremonie zu. Er sieht mit zufriedenem Gesichtsausdruck wie Hetty Frank ansieht und alle Bedenken wie weggeblasen sind. Der Reverend sagt:
"Zum Zeichen eurer Liebe steckt euch die Ringe an den Finger."

Raylan guckt mit wichtiger Miene, greift rechts in die Hosentasche, greift in die Jackentasche, keine Ringe. Grandpa Frank rinnt der Schweiß von der Stirn. Jess steht auf und flüstert:
"Raylan, linke Jackentasche!"

Raylan greift hinein:
"Ach, da sind sie ja!" und übergibt sie Frank, der Hetty den Ring ansteckt und dann umgekehrt.

Der Reverend spricht weiter:
"Wenn jemand etwas gegen diese Ehe einzuwenden hat möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen."

Sam aus dem Saloon ist da. Ihm sind schon die Augen aus dem Kopf gefallen als er Jess als Brautvater gesehen hat und erwartet jetzt einen Eklat. Aber nichts passiert. Jess sitzt ruhig da und verfolgt das Geschehen.

Der Reverend spricht würdevoll:
"Kraft meines Amtes erkläre ich euch zu Mann und Frau."

Hetty und Frank gucken sich verliebt an. Jess flüstert seinem Vater zu:
"Du darfst deine Braut jetzt küssen."

Frank lässt sich das nicht zweimal sagen und küsst Hetty lange und liebevoll. Jetzt hält Jess nichts mehr auf der Kirchenbank. Er springt auf und ruft:
"Halleluja, es ist vollbracht!"

Laura guckt ihn strafend an und flüstert:
"Jess, warst du schon heimlich an der Bowle? Das Essen ist draußen aufgebaut."

Jess verneint:
"Das würde ich doch nie machen. Aber eine gute Idee, jetzt gehen wir zum inoffiziellen Teil über."

Die kleine Sammy streut begeistert Blümchen aus ihrem Korb und das Brautpaar verlässt die Kirche untergehakt. Hetty wirft ihren Brautstrauß in die Menge. Der Sheriff Roy fängt ihn auf. Jess lacht:
"Yeah, dann feiern wir wohl bald wieder Hochzeit. Wer ist denn die Glückliche Roy?"

Roy guckt, versteht endlich und wirft den Strauß wieder in die Menge:
"Bin ich die Blumen noch früh genug losgeworden? Hoffentlich!"

Alle gehen zum Restaurant, essen und trinken und sind fröhlich. Hetty und Frank haben eine schöne Hochzeitsfeier. Jess löst die Schleife um seinen Hemdkragen und öffnet den ersten Knopf:
"Weg mit dem Kälberstrick! Jetzt kann ich wieder Luft bekommen."

Er knüllt die Samtschleife zusammen und steckt sie in die Tasche seines Jackets.

Laura ruft entsetzt:
"Guck dir diesen Kerl an Hetty! Und dafür bügele ich die Schleife so lange!"

Jess kann wegen seiner Einschränkung nicht mit dem Tanzen mithalten, aber Laura findet andere gute Tänzer. Als alle in einer Pause am Tisch sitzen fragt Frank:
"Jess, warum hat es so lange gedauert bis du mit Hetty in der Kirche warst?"

Hetty will etwas sagen, aber Jess schnappt sie ehe sie etwas sagen kann mit den Worten:
"Der nächste langsame Tanz gehört mir als Brautvater. Dad, mein Bein wollte nicht so wie mein Kopf wollte. Ich hatte einen heftigen Krampf im Oberschenkel, das hat alles verzögert."

Dann zieht Jess mit Hetty ab auf die Tanzfläche. Beim langsamen Tanz meint er zu Hetty:
"Dad kann alles fragen, aber er muss nicht alles wissen. Das würde ihn nur verletzen und muss nicht sein. Das vergessen wir wie die Tat von Tatanka, der mir nur helfen wollte."

Hetty blickt Jess liebevoll an:
"Das vergesse ich dir nie. Ich weiß selbst nicht was mit mir los war. Du warst ein großartiger Brautvater und bist ein guter Stiefsohn für mich."

Die mit Hetty erweiterte Familie Harper feiert noch fröhlich mit ihren Freunden bis tief in die Nacht hinein ehe es wieder zurück auf die Ranch geht. Am nächsten Tag ist der Alltag wieder eingekehrt.

 
 
Hetty und Frank genießen ihre Zweisamkeit nach einer Diskussion wie man sich so selbstsicher wie Jess in zwei Kulturen bewegen kann.