Jess fühlt, dass etwas nicht stimmt. Er nimmt seinen Colt und hat den Finger am Abzug als er die Tür zum Ranchhaus auftritt. Kein Ton ist zu hören außer dem Geräusch des Schaukelstuhls auf der Veranda, den der Wind hin- und her bewegt. Im Haus ist es dunkel. Jess`Nerven signalisieren eisige Furcht und er kann kaum atmen. Seine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Er greift die Petroleumlampe im Flur und zündet sie an. In der Luft liegt ein Geruch nach Männerschweiß und Schießpulver. Sein Weg führt in die Küche. Dort ist der Küchentisch umgeworfen, Geschirr liegt auf dem Boden und Stühle sind umgeworfen. Jess guckt genauer und ihm bleibt das Herz fast stehen. Er ruft:
"Dad, Dad, was ist mit dir?"

Grandpa Frank liegt auf dem Bauch mit dem Gesicht zum Boden und reagiert nicht. Sein kleiner Hund wackelt zaghaft mit der Rute. Er hat versucht sein Herrchen zu trösten. Der kleine Spaniel ist immer in Franks Nähe.

 

 
Jess tätschelt ihn und schiebt ihn zur Seite. Dann dreht er seinen Vater auf den Rücken. Er sieht in ein totenblasses Gesicht mit einer langen Schramme an der Schläfe, die er vorsichtig berührt. Er guckt auf seine Hand, sieht das Blut und wischt es an seinem Hemd ab. "Dad!" flüstert er und seine Welt hört sich auf zu drehen, als er einen schwachen aber stetigen Herzschlag hört. Er nimmt seinen Vater vorsichtig auf seine Arme und legt ihn auf die Couch. Dann geht er zur Spüle, holt eine Schüssel mit Wasser und ein sauberes Handtuch. Er wäscht das Blut vorsichtig ab und stellt fest: "Streifschuss, man kann das Pulver noch riechen. Was immer passiert ist, kann noch nicht lange her sein."

Als Jess die Wunde säubert, fängt Grandpa Frank an sich unruhig zu bewegen. Jess beruhigt ihn:
"Whoa, langsam Dad! Es wird alles wieder gut."

Grandpa Frank kämpft sich zurück in die Wirklichkeit:
"Was ist passiert?"

Jess guckt fassungslos:
"Ich dachte, du würdest mir das sagen Dad."

Die Wunde ist nicht tief, aber der Kopf schmerzt als Jess die Wunde weiter säubert. Frank schimpft:
"Autsch, ich glaube mein Kopf fällt ab." Auf einmal kommt die Erinnerung zurück. Er greift den Arm von Jess.
"Benson, es war die Benson Gang, zwei kamen durch die Vordertür, zwei durch die Hintertür. Keine Chance, ich konnte sie nicht aufhalten." Frank sackt wieder zurück auf das Sofa.

Jess fragt:
"Red Wolf Benson, sein Bruder Ken und seine Gang?" Er hat beim Sheriff die Steckbriefe gesehen und kennt den schlechten Ruf der Gang. Frank ist aufgeregt.
"Hetty! Dieser Floyd hat Hetty geschlagen, ich wollte ihr helfen und da hat Wolf Benson auf mich geschossen. Ich glaube die haben gedacht ich bin tot Jess."

Jess muss daran denken wie glücklich Hetty und Frank eine Schlittenfahrt durch den Schnee gemacht haben und seine Welt dreht sich wieder.

 

 
Er geht mit wackeligen Beinen nach oben und wagt es nicht nachzudenken was mit Hetty ist. Er klopft an, aber es rührt sich nichts im Schlafzimmer. Jess holt tief Luft und öffnet die Tür. Seine liebe Hetty sitzt auf dem Bett, den Kopf gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet und zittert am ganzen Körper. Ihre sonst so gepflegten grauen Haare stehen in alle Richtungen ab. Jess kniet sich vor sie auf den Boden und nimmt ihre eiskalten Hände in seine.
"Hetty, Hetty, ich bin`s, Jess!"

Er nimmt eine Hand und hebt ihren Kopf an und erschrickt als er ihr Gesicht sieht. Eine Gesichtshälfte ist dick geschwollen und blutunterlaufen, der Abdruck einer großen Männerhand ist zu sehen. Ihr Gesicht ist tränenüberströmt. Jess kann es nicht fassen:
"Es tut mir so leid Hetty."

Hetty blinzelt und das erste Mal hört die Welt auf sich zu drehen. Jess ist da. Jess würde sich kümmern, alles in Ordnung bringen. Die Gedanken überschlagen sich in ihrem Kopf.
"Jess, Jess, sie haben Frank erschossen." sagt sie mit kaum hörbarer Stimme.

Jess steht auf und zieht Hetty an seine Brust:
"Still Hetty, er ist nicht tot. Die Kugel hat seinen Dickschädel nur gestreift. Er kommt wieder in Ordnung."

Jess fühlt wie sie mit Erleichterung gegen ihn sackt. Er murmelt tröstende Worte, die keinen echten Sinn machen und streichelt ihren Rücken. Auf einmal stößt sie Jess weg und richtet sich auf.
"Jess, sie haben Raylan mit genommen." flüstert sie mit angstgeweiteten Augen.

Jess fühlt wie ihm die Farbe aus dem Gesicht geht und seine Beine ihren Dienst versagen wollen.
"Ist Raylan nicht mit Laura und seinen Schwestern auf der Double X?"

Hetty antwortet mit zitternder Stimme:
"Nein, er wollte bei seinem Pony bleiben weil es lahmt. Frank hat schon Umschläge gemacht, die helfen. Du weißt doch wie Raylan an Snuggles hängt.

 

 
Hörst du Jess? Sie haben Raylan mitgenommen. Ich wollte ihm helfen, da hat mich der eine geschlagen. Oh Gott, Raylan hat so geschrien. Frank wollte dazwischen gehen, da hat Wolf Benson geschossen. Ich habe gedacht, Frank ist tot. Sie haben mich hier eingesperrt."

Sie holt Luft und sieht Jess an. Er sieht mitgenommen aus, alt, seine Augen dunkel vor Zorn. Sie legt eine Hand auf seine Brust. Er stößt sie weg und brüllt sie an:
"Wie lange Hetty,?" Er greift sie fester und schüttelt sie. "Wie lange ist das her?"

Hetty schluchzt und das Geräusch bringt Jess wieder zur Besinnung. Er zieht sie an sich und streichelt mit einer Hand über ihren Rücken.
"Sorry, das wollte ich nicht. Ich habe es nicht so gemeint Hetty. Es ist nur...warum haben sie Raylan mitgenommen? Er ist doch noch ein Kind."

Hetty versucht nachzudenken. Der Kopf schmerzt. Der Schuss auf Frank vibriert noch in ihr.
"Nicht lange, vielleicht eine Stunde!" flüstert sie in Verzweiflung. Sie fühlt die Hand von Jess unter ihrem Kinn. Sie guckt nach oben und sieht in das Gesicht eines Fremden. Sein Gesicht ist schneeweiß und in seinen Augen brennt ein unirdisches kaltes Feuer. Was sie sieht ist kein Leben, nur Rache und Eiseskälte. Jess sagt ganz ruhig:
"Ich werde Raylan zurückholen und wenn es das Letzte ist das ich tue."

Inzwischen rührt sich Frank auf der Couch. Hetty und Jess sind bei ihm. Frank, dessen Erinnerung zurückkommt, sagt:
"Sie haben Raylan, wir müssen hinterher Jess."

Er steht von der Couch auf und sackt gleich wieder zurück. Jess meint:
"Du gehst nirgendwohin Dad, höchstens zum Doc und zum Sheriff."

Frank erzählt weiter:
"Es war so seltsam. Wolfs Bruder Ken, der wie ein Bär aussieht, hat Raylan unbedingt mitnehmen wollen. Er war so vorsichtig mit ihm als ob er Angst hat, ihn zu zerbrechen. Er wollte wieder einen Babybruder. Ich glaube, der ist nicht richtig im Kopf. Er hat immer Wolf angesehen...."

Frank lehnt sich zurück und greift sich an den schmerzenden Kopf. Jess sitzt auf einem Stuhl vor ihm.
"Die Bensons waren mal drei Brüder. Den Jüngsten hat ein Sheriff in Montana erschossen. Er war 13 Jahre alt. Dad, haben sie irgendetwas gesagt wo sie hin wollen?"

Frank überlegt und dann fällt es ihm ein:
"Purgatory Pass, sie wollen über den Pass nach Colorado."

Jess zweifelt:
"Bist du sicher Dad? Der Purgatory Pass ist schon bei gutem Wetter die Hölle, aber jetzt um diese Zeit? Der Chinook bleibt nie lange."

Hetty erwidert:
"Frank hat recht, sie wollen über den Pass nach Colorado. Schaut mal durchs Fenster! Der Chinook ist weg, es schneit und es ist kälter geworden."

Jess nickt:
"Ja Hetty und es wird Zeit, dass ich aufbreche. Je mehr Schnee um so schlechter kann ich die Spuren lesen. Kannst du mir etwas zu Essen einpacken, ich werde irgendwann auf dem Trail essen müssen."

Frank steht auf und will mit, sackt aber gleich wieder zurück auf das Sofa. Jess erwidert:
"Du gehst sobald du kannst nach Laramie zum Doc und gib Roy Bescheid was passiert ist."

Hetty meint erschrocken:
"Jess, du kannst doch nicht allein gegen vier reiten! Warte bis der Sheriff mit einem Suchtrupp kommt!"

Jess schüttelt den Kopf:
"Nein, dazu habe ich keine Zeit. Der Wind verwischt die Spuren und ich kann sie nicht mehr lesen. Der Sheriff kann ja nachkommen, dann habe ich bessere Chancen."

Jess nimmt sein Gewehr und alle vorhandene Munition und sattelt den schnellen trittsicheren Rover.

Dann verabschiedet er sich von Hetty und Frank mit den Worten:
"Sagt Laura ich liebe sie."

Er wirft noch einen Blick auf Hettys in Mitleidenschaft gezogenes Gesicht.
"Hetty, dafür werden sie auch bezahlen. Ich werde Raylan sicher zurückholen. Ich komme nicht ohne ihn wieder."

Dann reitet er davon.

 

 
Jess hört im Wind nicht mehr Franks Stimme, die leise flüstert:
"Und wenn du es nicht kannst...."