Jess schwebt in sanften Drogenträumen durch die Wochen. Das Gefühl für Ort und Zeit hat ihn verlassen. Er merkt, wenn er berührt wird, gefüttert und zu ihm gesprochen wird. Das sind die guten Zeiten. Die schlechten Zeiten kommen, wenn sich das Laudanum in seinem Blutstrom verringert und ihn das Echo des letzten Schusses heimsucht, das große Pferd von Charles Ingram wie es gegen den Himmel fliegt und dann in seinen Reddy kracht, Reddys fürchterlicher Schrei als er getroffen wird und dann dieser letzte Schuss, der Tod seines Freundes.
 

 

Diese Szenen wiederholen sich in Jess`Kopf bis er spürt, dass ihm jemand aus seiner Familie den Löffel mit der scharf schmeckenden Flüssigkeit zwischen die Lippen schiebt. Er schmeckt den bitteren Geschmack und dann endlich ein gesegnetes Nichts.

Nach ungefähr 6 Wochen in diesem Zustand, der der Familie einiges abverlangt, legt der Doc sein Stethoskop an die Seite:
"Laura, Hetty, es wird Zeit, dass wir das Laudanum absetzen. Sonst haben wir einen Drogenabhängigen, wenn wir es nicht tun."

Hetty weiß aus ihrer Zeit als Krankenschwester im Bürgerkrieg wie die Auswirkungen der Opiumabhängigkeit sind und nickt zustimmend.

Der Doc fährt fort:
"Das wird nicht einfach. Er muss weitere zwei Wochen still liegen und er wird besorgt wegen seiner Beine sein. Aber er muss noch warten."

----------------------------------

"Meinst du nicht, es wird Zeit für meine Medizin?" fragt Jess hoffnungsvoll als sich Laura mit Essen für ihn auf den Stuhl neben sein Bett setzt.

Laura streichelt seinen Arm und lächelt ihren Mann an:
"Nein, der Doc hat die Medizin abgesetzt. Jetzt musst du gut essen, damit du wieder kräftiger wirst Darling."

Jess schließt die Augen und als er erfasst was Laura sagt, meint er:
"Honey, ich brauche keine Kraft um hier in diesem Bett zu liegen."

Laura antwortet:
"Jess, du brauchst aber nicht mehr ewig im Bett liegen. Dave sagt, du kannst nächste Woche und übernächste Woche versuchen, dich im Bett aufzusetzen und wenn du stark genug bist, kannst du vielleicht draußen sitzen. Du musst diese vier Wände leid sein."

Jess guckt Laura traurig an:
"Du vergisst eine klitzekleine Kleinigkeit. Ich werde nirgendwohin gehen, nicht jetzt, nicht nächste Woche, nie mehr. Kriege ich jetzt meine Medizin oder nicht?"

Dann dreht er sich zur Wand, weil Laura nicht seine Tränen sehen soll, die seine schmalen Wangen herunterlaufen.

-------------------------

Eine Woche weiter stützt Grandpa Frank seinen Sohn mit Kissen im Rücken ab, so dass Jess im Bett sitzen kann.
"Ganz ruhig Junge! Du wirst erst etwas schwindlig sein, schließe die Augen, dann geht es vorüber."

Jess tut was sein Dad sagt. Nach ein paar schlechten Momenten vergeht der Schwindel. Jess guckt auf die ängstlichen Gesichter seiner Familie, dreht den Kopf stur zur Seite und sagt keinen Ton.

Frank meint:
"Wenn dir nicht nach reden ist, lassen wir dich allein. Wir sind nebenan, wenn du etwas brauchst."

Mit diesen Worten scheucht er die Frauen aus dem Krankenzimmer.

Jess denkt:
"Etwas brauchen? Dass ich nicht lache! Was soll ich schon brauchen? Eine Kugel in den Schädel wie Reddy, dann ist es überstanden."

Das Elend ist, es würde niemand eine geladene Waffe in seiner Reichweite liegenlassen und aus dem Bett kommt er nicht. Er versucht das Essen zu verweigern worauf er eine Standpauke von Laura und Hetty bekommt, dass das nur Selbstmitleid ist. Daraufhin bringt er es nicht fertig, die Gefühle der Frauen noch mehr zu verletzen wie er es ohnehin schon getan hat. Und ja, er fühlt sich total depressiv. Seit der Doc die Bandagen um Rippen und Hüften entfernt hat, schmerzen seine Hüften wie schlimme Zahnschmerzen. Jess weiß, dass es zwecklos ist nach seiner Medizin zu fragen, also leidet er still. Seltsamerweise werden die Schmerzen nach einigen Tagen erträglicher und er schiebt die Decke an die Seite und sieht auf seine Beine, die dünner sind als die von Ingrams Rennpferden. Kaum denkt er wieder an Pferde, setzt er das Ganze auf die wachsende Liste der Dinge über die er nicht mehr nachdenken will. Dann fängt auch noch der große Zeh an zu jucken und instinktiv dreht er den Fuß um ihn gegen die Decke zu rubbeln. Ein großer Schmerz schießt das Bein hinauf bis hoch in die Hüfte. Jess stöhnt und dann realisiert er was gerade passiert ist. Er versucht das Knie zu biegen. Wieder ein feuriger Schmerz, aber das Knie tut was er will. Kann es sein, dass der Doc die Wahrheit gesagt hat? Er muss zugeben, dass er so wütend und entsetzt über den Unfall ist, dass er ein gutes Ende dieser schrecklichen Zeit ausgeschlossen hat. Jess liegt lange Zeit nachdenklich in seinem Bett bis er eindöst und einen schönen Traum über Mustangbeobachtungen träumt als Laura nach ihm gucken kommt.