Takoda berichtet: "Der Graue Wolf wollte in Frieden mit den Büffeljägern sprechen und danach zurück in die Reservation kommen. Ein Krieger, Red Eagle, konnte von Chato und mir nicht aufgehalten werden und ist vor dem Grauen Wolf zu den Büffeljägern geritten um sie zu töten. Als sein Pferd mit Blut auf der Schulter zurückkam und es immer später wurde habe ich mir große Sorgen um Red Eagle und den Grauen Wolf gemacht. Er hält immer was er verspricht."
Abby hört gebannt zu: "Takoda, du darfst aber doch die Reservation nicht verlassen und die Büffeljäger sind außerhalb."
Der Medizinmann lächelt: "Die Büffeljäger und auch eure Soldaten sind blind und taub. Die Büffeljäger haben geschlafen und die Soldaten haben sich laut unterhalten. Ich habe mich im Schutz der Dunkelheit lautlos bewegt. Niemand hat mich und mein Pferd gesehen. Dann habe ich Red Eagle gefunden. Sein Herz war von einer Kugel der Sharps zerfetzt. Für ihn konnte ich nichts mehr tun. Der Graue Wolf hat noch schwach geatmet und nun bin ich hier. Hierher ist es näher als in die Reservation. Hört mal, er stöhnt und wird wach, das ist gut."
Abby hört Jess noch einmal ab und macht ein sorgenvolles Gesicht. Aus seinem Mundwinkel läuft Blut. Jess stöhnt: "Abby ich kriege keine Luft, mach was!"
Abby wird schnell, holt eine große Spritze aus ihrer Arzttasche und flüstert Hetty zu: "Lenk ihn ab, nimm seine Hände! Ich muss das Blut aus der Lunge abziehen. Eine Äthernarkose übersteht er in dem Zustand nicht. Ich muss es so machen."
Jess kommt es nicht richtig zu Bewusstsein aber er merkt, dass Hetty die ganze Zeit seine Hände hält: "Gleich vorbei, dann geht es dir besser Jess."
Abby zieht eine prallvoll gefüllte Spritze Blut ab: "So, das war`s erst einmal. Alle Achtung, da merkt man den Bullrider. Jess, ich muss dich jetzt abtasten ob du Knochenbrüche hast. Das wird wieder weh tun. Aber es geht nicht anders. Danach bekommst du was zur Beruhigung und dass du schlafen kannst."
Abby fängt mit dem Gesicht an, das Jochbein ist nicht gebrochen, bei den Rippen ist sie nicht sicher ob da etwas angeknackst sein kann, aber dem Fühlen nach nichts gebrochen. Sie dreht ihn mit Takodas Hilfe auf die Seite und sieht, dass auf dem Kreuz ein längliche grün-blaue Verfärbung ist.
Die Lebensgeister von Jess werden wach: "Jetzt hör endlich auf Abby, sonst schaffst du was Luther Jenkins nicht geschafft hat! Das auf dem Kreuz war der Lauf der Sharps, den hat er mir voll von hinten ins Kreuz gedonnert. Was danach war weiß ich nicht."
Hetty streicht Jess die Haare aus der Stirn: "Jungchen was ist dir da bloß passiert? Die Büffeljäger sind schreckliche Kerle."
Jess achtet nur auf Hetty und ihre Worte. Abby streicht mit dem Griff ihrer Schere an Jess`Beinen entlang, aber es kommt keine Reaktion. Takoda guckt Abby nur an und sie ihn. Sie nimmt eine Pinzette: "Jess merkst du was?"
Er antwortet: "Was soll ich denn merken, dass mir alle Knochen weh tun weiß ich auch so."
Dann erfasst er was Abby macht und fragt in voller Panik: "Warum spüre ich nichts, ich fühle meine Beine nicht. Abby, Takoda was ist das? Sagt mir die Wahrheit!"
Die Ärztin guckt sorgenvoll. Damit hatte sie nicht gerechnet: "Jess, ich will nicht lügen. Der Schlag mit dem schweren Gewehr aufs Kreuz hat dein Rückgrat schwer getroffen. Wahrscheinlich ist dein Rückenmark gequetscht und dort laufen die Nerven durch für alles was Hüfte abwärts ist. Es kann sein, dass es in zwei Tagen besser wird, in zwei Wochen oder vielleicht auch so geschädigt ist, dass es nie wieder wird. Du wolltest die Wahrheit. Das ist sie. Du brauchst jetzt viel Ruhe und wir müssen abwarten. Ins Hospital nach Cheyenne hat keinen Zweck. Ein Transport in deinem Zustand muss nicht sein. Dort würdest du auch nur liegen und das ist hier Zuhause besser für dich."
Takoda ist in großer Sorge: "Abby du bist eine gute Medizinfrau, du hast das Blut aus der Lunge bekommen. Du weißt, dass uns Mutter Erde alles gibt was wir zum heilen brauchen. Es gibt eine Wurzel, die helfen könnte, ich werde sie suchen und finden."
Abby holt ein kleines Fläschchen aus ihrer Tasche und gibt es Hetty: "Das ist Laudanum. Das wird ihm die Schmerzen etwas nehmen und ihn schlafen lassen. Davon gibst du ihm die ersten drei, vier Tage am Abend einen Kaffeelöffel voll. Er wird höllische Schmerzen haben, aber Morphium gebe ich nicht. Damit haben wir bei Soldaten ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Es führt zur Abhängigkeit."
Takoda meint: "Ja, die Dosis macht das Gift. Wir haben auch Jahrhunderte probiert. Leider darf ich nicht helfen, eure Regierung hat es Medizinmännern verboten ihren Beruf auszuüben."
Abby antwortet: "Ich sehe es so, wer heilt hat recht. Was wir hier draußen auf der Ranch machen weiß niemand und Jess war immer von eurer Medizin überzeugt. Auf der anderen Seite hat er euch überzeugt eure Kinder gegen Pocken zu impfen. Es gibt Gutes in jeder Medizin. Suche diese Wurzel Takoda!"
(Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde den Medizinmännern und Frauen das Leben besonders schwer gemacht. In zahlreichen US-Bundesstaaten traten Verbote von Heilritualen in Kraft. 1887 setzte Washington schließlich die gesamte indianische Kultur auf den Index und untersagte den Ureinwohnern jegliche Ausübung religiöser und medizinischer Riten. Erst 1934 wurde das Verdikt aufgehoben.)
Hetty kümmert sich liebevoll um Jess. Frank würde es ihr nie verzeihen, wenn sie nicht für seinen einzigen Sohn da wäre. Als Jess am anderen Morgen wach wird, fängt sie gleich wieder an die geschwollenen Gesichtshälfte zu kühlen. Jess bittet sie, Jolene zu holen.
|